Bismarckwerk Radevormwald

ehem. Bismarckwerk Radevormwald
ehem. Bismarckwerk Radevormwald

Nicht durch Reformen wird die Welt verändert,
sondern durch Blut und Eisen

so sprach Fürst Otto von Bismarck 1862, und noch im selben Jahrhundert machten sich zwei Unternehmer in Radevormwald auf, unter dem Namen Bismarck ihre Produkte international erfolgreich und bekannt zu machen.

Am 3. Februar 1890 fand die feierliche Einweihung der Eisenbahn in Radevormwald statt. Bergerhof bekam ebenfalls einen Haltepunkt, davon zeugt noch das heute in privater Hand geführte Lokal im ehemaligen Bahnhofsgebäude. In unmittelbarster Nähe zum Bahnhof Bergerhof fing das Bismarckwerk Radevormwald sechs Jahre später, am 12. September 1896, unter der korrekten Bezeichnung „Fahrradwerke Bismarck GmbH“, in Hand der Unternehmer Gottlieb Frowein und Carl Richard Holbeck mit einem Geschäftskapital von 300.000 Goldmark, für das Investoren aus Hamburg gefunden werden konnten, mit der Produktion an.

Das Bismarckwerk Radevormwald Anno 2009
Das Bismarckwerk Radevormwald Anno 2009

Die Hamburger Kaufleute hatten ein gutes Händchen oder einen guten Riecher, denn fortan ging es steil bergauf mit dem Bismarckwerk in Radevormwald. Nach Halbjahresschluß konnte das Bismarckwerk bereits das tausendste Fahrrad ausliefern, und es sollte trotz unruhiger Lage der Wirtschaft bis 1911 über 100.000 werden. Das kam auch nicht von Ungefähr, denn die Entwicklungsabeitung hat stets gut Arbeit geleistet, und auf der Höhe der Zeit folgte eine technische Entwicklung nach der anderen, die auch heute noch zu jedem Fahrrad gehört. So entwickelte das Bismarckwerk z.B. die erste Gangschaltung mit dem Namen „Berg und Tal“, was wohl eindeutig der topografischen Lage des Firmenstandorts geschuldet sein wird. Diese Zwei- oder Dreigangschaltung findet man noch heute bei vielen Fahrrädern, insb. in Holland, einem der Exportländer für das Fahrradwerk neben dem skandinavischen Raum. Das typische holländische Damenfahrrad kann man guten Gewissens durchaus als Rader-Erfindung bezeichnen, denn Frowein und Holbeck belieferten mit Ihrem Bismarckwerk Holland bereits erfolgreich in großen Stückzahlen mit Fahrrädern, als es dort noch keine Fahrradmanufaktur gab!

Mit dem Aufkommen der ersten, damals unbezahlbaren Autos zeigten die Unternehmer erneut Weitsicht und blieben gleichzeitig Ihren Laisten treu.  Und nachdem Daimler sein Motorrad zwar erfunden hatte, war es jedoch auch das Bismarckwerk, dass bereits früh erkannt hatte, dass die Motorisierung und der (bequeme) Mobilitätswunsch nicht abnehmen wird, und so tauchen in einem Prospekt 1905 bereits die ersten beiden motorisierten Zweiräder auf. Zu der Zeit war man z.B. in New York noch der Ansicht, dass das KFZ die Kutsche niemals ersetzen würde. In den Dreißiger Jahren wurde dann dank des Sachs Motors massiv in Produktion der Motorfahrräder investiert.

Bei alten Filmen aus dieser Zeit taucht häufig ein Bismarck auf – zu der Zeit schien das Radevormwalder Unternehmen mit Ihren Produkten allgegenwärtig, und vielleicht erklärt es sich auch so, dass es immernoch zahlreiche Liebhaber der guten Stücke gibt, und bei ebay und Co. mitunter Preise im vierstelligen Bereich für ein Fahrrad gezahlt werden – von den motorisierten Zweirädern ganz zu schweigen, wenn auch insbesondere die anfängliche Produktion sich als unausgereift herausstellen sollte, da der Fahrradrahmen zu instabil war.

Das Bismarckwerk in Radevormwald-Bergerhof
Das Bismarckwerk in Radevormwald-Bergerhof

Nach dem zweiten Weltkrieg geriet man aufgrund von Materialmangel erstmal in arge Nöte, doch auch diese wurden überwunden, und so wurde Anfang der 50er Jahre die Produktion der bekannten Produktpalette fortgesetzt. Nachdem Ende der 40er Jahre in Ostdeutschland die Planwirtschaft eingeführt wurde, verschlug es den Unternehmer Saalfelder Unternehmer Knoch nach Radevormwald, woraufhin das Bismarckwerk fortan und bis zum Ende des Unternehmens eher weniger erfolgreich auch Nähmaschinen produzierten. Vielleicht hat man Anfangs das Nähmaschinengeschäft auch als Strohhalm oder Überbrückung mitgenommen. Das ist jedoch meine Spekulation.

Das Ende des Bismarckwerks kam pünktlich zum Wirtschaftswunder Mitte der 50er Jahre. Direkte Gründe, die das Unternehmen schlussendlich in die Insolvenz führten, sind bis heute nicht klar. Fakt jedenfalls ist, dass die Mobilität mit dem Zweirad zum Ende hin wenig gefragt war, da zunehmend insbesondere der VW-Käfer oder vollverkleidete Kleinwagen von sich Reden machen sollten, weil sie bezahlbar wurden, und verglichen mit dem Fahrrad oder dem Motor-Fahrrad / Moped / Motorrad eine neue Qualität bot. Nach dem Krieg kamen die fetten Jahre, und das Zweirad galt später als das Verkehrsmittel der Armen.

Ausstellungsstücke und viele Informationen zu dem Bismarckwerk finden sich im Heimatmuseum Radevormwald. Und vielleicht habe ich mit meinem Beitrag ja dem ein oder anderen den Blick auf den häßlichen Klotz etwas versüßt, und vielleicht tragen auch meine Bilder dazu bei, dass der Klotz gar nicht so hässlich sein muss, wie er häufig erscheint.

13 Antworten auf „Bismarckwerk Radevormwald“

  1. Komisch!
    ich habe ein Bismarckrad zu hause mit sachs Nabenschaltung welches eindeutig nicht aus den 50er Jahren sondern viel rezenter ist.
    Wie kommt das?

  2. Diverse Bismarckräder wurden in jüngerer Zeit von einem anderen Hersteller unter dem Namen Bismarck mit dem Zusatz „Retro“ neu aufgelegt.

  3. Die Firma BISMARCK-Zweiradwerke in Radevormwald meldete Ende 1957 Insolvenz an.
    Aus der Konkursmasse erwarb die Bielefelder Zweiradfirma „Falter“ die Namensrechte. Fortan baute sie – neben den eigenen Produkten – unter dem Namen „BISMARCK“ bis Ende der 1990er Jahre weiter Fahräder . Dazu wurde auch das Design weiter verwendet.
    Zwischenzeitlich existiert die Firma wohl nicht mehr, jedenfalls steht sie nicht mehr im Bielefelder Telefonbuch.

  4. Hallo
    ich hab ein altes Moped von Bismarck mit Sachs-Motor und hätte dafür gerne ein paar Infos. Kann mir da jemand helfen? Habe das Ding vor 5,6Jahren komplett Restauriert und sprang direkt beim ersten Antreten an. wäre also klasse wenn ich da von euch iwelche Infos zu bekommen würde.

    Gruß
    Stephan

  5. Da hast du ja wahrlich Wunder gewirkt mit deiner Kamera. So sieht das doch nie im Leben aus. 😉 Ich habe das immer als sehr fies und gammelig empfunden. Scheinbar hast du eine hervorragende Perspektive gewählt.

  6. Hallo,
    Ich repariere gerade ein Bismarck „Berg wie Tal“.
    Ein guter Wekzeugmacher hat mir die Antriebswelle mitsamt den Verschlussverschraubungen neu anfertigen können.
    Falls jemand soetwas braucht, melden-die Zeichnungen davon sind noch am Computer für die CNC-Maschine eingespeichert.
    Das Fahrrad befindet sich noch in Originallackierung mit goldenem Reißlack und weißen Zierlinien. Vielleicht braucht wer Fotos zum Restaurieren.
    Reifen Heil Andreas

  7. Hallo,
    habe noch einen „Berg wie Tal“ Rahmen und wäre an einer Antriebswelle und Verschlussverschraubung interessiert. Ein Bild von einem Original „Berg wie Tal“ Fahrrad wäre schön.
    Grüße

  8. Hallo
    Habe mir vor kurzem ein Bismarck Berg Wie Tal Fahrrad zugelegt.
    Das Rad ist leider nach dem Krieg umgebaut worden.
    Es fehlen das Schaltgestänge und das Getriebeinnenleben.
    Ansonsten rostiger Originalzustand. Ich möchte das Fahrrad gern
    kompettieren.Wenn jemand was abzugeben hat bitte melden.
    Danke W.Terlinden

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