Habt ihr es gemerkt? Schwerste Kriese seit ’49, seit ’29, schlimmer als der Dreißigjährige Krieg, wir fallen zurück auf den Wohlstand von ’96. Nicht wenige schätzen den Missbrauch der Kurzarbeiterregel auf 40%. Zahlen, Daten, Fakten. Gut, dass wir den ifo Geschäftsklima-Index haben. Das sind nette Damen und Herren, die rufen des Tags bei einem an und erbitten eine wirtschaftliche Prognose des Unternehmens für die nächsten Monate. Diese geben sie dann in den Mixer, rühren es zu einer Statistik, und geben in der 20:00Uhr Propaganda preis, dass, und wie sich die Wirtschaft in Zukunft entwickelt; verkauft als empirische Untersuchung. Das ist toll, da weiß ich vorher schon, ob ich Urlaub machen soll. Im größten Kriesenjahr der Nachkriegsgeschichte hat der Durchschnittsdeutsche über 2000€ auf die hohe Kante gelegt. Unsere Armut ist widerlich.
Gute Aussichten!
Jetzt kommt wieder der Mann mit dem langen Rauschebart, durch seinen Namen gleich mit dem doppelten Vertrauensbeweis im Gepäck, und gibt wort- und zahlenreich sinnreiche Auskunft über unsere wirtschaftliche Stärke in der Zukunft. Er sagt mir, wie es mir geht und gehen wird. Das ist toll, dann muss ich selbst nicht nachdenken! Und wir alle hören gebannt und gespannt, was der Prophet zu sagen hat, damit wir wissen, ob wir jammern, oder jubeln müssen. Wir haben längst den religiösen Propheten erfolgreich gegen andere getauscht. An irgendwas muss man sich ja halten. Und die Streuung und Zahlenmystik macht uns Glauben, wir wären aufgeklärt und informiert.
Gut, wenn man auch in Kriesenzeiten etwas hat, auf das man sich verlassen kann, z.B. auch die Bonitätsauskunft der Creditreform! Alle Welt hört auf die Creditreform, gewollt oder nicht, weil der neue Handyvertrag, das neue Auto, oder jede andere gepumpte Anschaffung unweigerlich über eine weitere segensreiche Glaskugel der modernen Wirtschaftsgesellschaft läuft. Und da erlauben wir uns ernsthaft im Zuge der Fußballweltmeisterschaft Glaube, Aberglaube und Schamanen der Afrikaner zu belächeln? Glaubst Du, gewollt oder nicht, empirischer? Die Creditreform mutmaßt nun also ins Blaue über die Bonität einer Person und gibt absolute Antworten – zumindest, wenn man die absoluten Reaktionen darauf zur Maßgabe nimmt. Schaut man sich die Datenbank der Creditreform an, so habe ich in letzter Zeit selten Ungenaueres gesehen. Das fängt bei falschen Telefonnummern, nicht mehr vorhandenen Gesellschaftern an, und geht über vollkommen aus der Luft gegriffenen Wirtschaftsdaten eines Unternehmens hinaus bis hin zu falschen Beschreibungen, Produkten, Dienstleistungen des Unternehmens. Trotzdem ist dies maßgeblich für uns – Creditreform ist seriös. Das Prinzip ist dabei das gleiche, wie beim ifo: Telefonanruf beim Unternehmer mit der Bitte um Nennung diverser Kennzahlen. Verweigert man dies auf telefonischem Weg, ist man direkt nicht kreditwürdig, noch am selben Tag – das durfte ich selber vor einigen Monaten erleben. Dass das Leasing des vorangegangenen Fahrzeugs bei der selben Bank über das selbe Autohaus ohne eine Zahlungsverzögerung stattfand, ich mich also bereits Jahre hinweg als kreditwürdig und ohne Ausnahme pünktlicher Zahler gegenüber dem Kreditnehmer geäußert habe, ist vollkommen unerheblich, wenn die Creditreform durch einen glaskugelnden Mitarbeiter behauptet, ich sei nicht kreditwürdig, oder meine wirtschaftliche Entwicklung anhand anderweitiger Glaskugelzahlen vermengt und prognostiziert sei nicht so rosig, wie die Realität. Ich fühlte mich fast genötigt mein Gewerbe aufzugeben, wenn schon die Creditreform bescheid weiß… Demnächst frage ich die immer! Maßgeblich dafür scheint die Annahme, ich würde wirtschaften wie die Bank selber.
Armin Gerhardts Webdesign
Und Creditreform ist seriös? Ein Beispiel: Ich habe wie gesagt die Aussage per Telefon verweigert, und erbat schriftlichen Kontakt. Dieser blieb bis heute aus. Trotzdem machte man Angaben, packte mich in eine wenig zielsichere Kategorie, und mein Postkasten quillt mittlerweile auf mit Werbung für „Armin Gerhardts Webdesign“. So haben mich die guten Mitarbeiter der Creditreform einfach mal genannt und somit fällt es nicht schwer zu erkennen, woher die ganzen Pestpocken meine Adresse und Tätigkeit haben, um mir zielgerichtete Werbung in den Postkasten zu kotzen. Ich erhalte im Moment Willkommensangebote wie zuletzt bei meiner Gewerbeanmeldung 2002. Auch hier fragt man sich, wie die ganzen Versandhäuser von Amtswegen her an die Daten kommen? Finanzamt? OK! Berufsgenossenschaft? Geschenkt! IHK? Leidvoll auch das! Aber Quelle, Conrad Elektronik und VistaPrint Briefe und Werbung nach einer Gewerbeanmeldung? Darf ich natürlich nicht wissen, Datenschutz! Alles Glaskugel. Welches Unternehmen übrigens Informationen über mich bei der Creditreform einholt, darf ich auch nicht erfahren; ebenfalls Datenschutz versteht sich! Aber Luftbuchungen geben sie schonmal gerne raus, gespickt als „geprüfte Daten“. Doch das Rausgeben ist kein Problem, dies hat ja auch nichts mit Daten zu tun, die irgendwie schützenswert wären, eben weil sie aus der Luft gegriffen sind. Problematisch nur, dass alle die so ganz toll und gewitzt nützlich finden. Genau wie meinen neuen Firmennamen:
Wer glaubt, wir leben in einer modernen Wissensgesellschaft, der sollte vielleicht noch einmal nachdenken. Wir hängen weiter am Tropf der Glaskugel. Informationsvergiftung tritt es besser. Vielleicht sollten alle mal ein wenig mehr der persönlichen Einschätzung und Erfahrung vertrauen, als sich der Radosophie anzuhängen.
Dabei sind wir darauf angewiesen zu orakeln bzw. orakeln zu lassen. In skandinavischen Ländern ist es mitunter Usus, dass jeder beim Finanzamt Informationen über die Finanzlage eines anderen einholen kann. Das geht in Deutschland natürlich nicht, weil wir ein Volk voller Blender sind, und unser Leben für die Meinung anderer bestreiten. Wir reden viel zu viel, sagen dabei aber nur höchst selten etwas. Da ist man sich auch nicht zu schade in Gluthitze das Grab oder den Vorgarten zu bestellen – nicht, dass noch ein Nachbar aufmerksam wird wie schlampig man ist! Das gibt den Scharlatanen Aufwind. Fakt ist: Die Creditreform hat keinen Schimmer über meine finanzielle Situation, behauptet aber wohl das Gegenteil und meine Geschäftspartner handeln nicht aufgrund der bisherigen Erfahrung mit mir, sondern aus dem Ergebnis der Glaskugel. Die ifo hat keinen Schimmer über die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten sechs Monaten… Experten kommentieren dann regelmäßig den von Experten erstellen Expertenbericht als unerwartet hoch / oder niedrig.
Die akademischen Kaffeesatzleser telefonieren mit dem Glaskugelbesitzer. Und daraus erstellen die einen Index, mit einer Stelle hinter dem Komma! [..] Die halten uns für so blöd wie wir sind.
Volker Pispers
Wen es interessiert, hier findet man mich mit neuem Firmennamen (muss ich jetzt neue Visitenkarten machen, vielleicht bei VistaPrint?) bei firmenwissen.de. Auf der Seite prangt noch fett ein Pseudo-Gütesiegel „geprüfte Creditreform Firmendaten“. Mir wird ganz warm ums Herz. Die Kirche erzählt auch immer etwas von Wahrheit, wenn aus der Luft gegriffene Behauptungen an den Mann gebracht werden müssen. Christliches Abendland, hörst Du die Glocken erklingen?
Nun hast du dir aber Luft gemacht.
Ich mache jedenfalls gegenüber der Creditreform keine Angaben, weder telefonisch, noch schriftlich. Sicher, sollte man eine Finanzierung benötigen, kann das auf die Füße fallen. Glücklicherweise fragen nicht alle Finanzierungsgeber bei der Creditreform an. Und scheinbar werden es immer weniger Creditrefom-Kunden.
Schönes Wochenende
Thom
… und ich hatte es kaum ausgesprochen, da kam schon die nächste Glaskugel auf den Tisch: Der Banken-Stress-Test. Da können wir ja alle beruhigt sein, dass nur ein paar unwichtige Banken, und die uns ohnehin als desolat bekannte HRE, über die Klippe springen würden.
Merkwürdig, dass das Ergebnis stimmungsgefällig ist.
Wahrscheinlich, dass auch diese Glaskugel nichts wert ist.