1489. Das älteste erhaltene Haus an Burg. Durch Zufall an der Roten Ampel gesehen und durchs Fenster geknippst. Gehen wir davon aus, dass die durchschnittliche Lebensdauer v.K. (vor Kühlschrank) lange Zeit nicht über 50 Jahre war, hat dieses schnuckelige Haus an der Wupper in 521 Jahren nicht nur unterschiedlichste Regenten und Empires kommen und gehen sehen, sondern auch im zweistelligen Bereich Eigentümer und/oder Bewohner. So eine einfache Jahreszahl lässt einen selbst, sein Tun und seine Umwelt arg klein und unwichtig werden.Was hat es alles erlebt?
- Die Entdeckung Amerikas
- Die Reformation
- Der Dreißigjährige Krieg
- Die französische Revolution
- Zwei Weltkriege
- Den ersten Menschen im All
- unzählige Weltuntergänge
- 100ml Flüssigkeitslimit in durchsichtigen Zippa-Bags bei Inlandsflügen
- Schnitzel für den Toaster
- den Toaster
Ich finde den Gedanken spannend, wie wohl ein Besucher aus dieser Zeit in der heutigen klar käme; Les Visiteurs lässt grüßen. Jahrhundertelang ist „nichts passiert“. Meine Oma hat in ihren Jahren menschlichen Fortschritt (und Niedergang) erlebt, dessen Umfang früher viele Jahrhunderte Entwicklung benötigte, doch vergleichbar ist das alles nicht. Wir stecken in der Turbokultivierung. Monokultur. Und wir stecken mitten in einer Zeit, in der die Entwicklung weiter explodiert. Doch auch Goldene Türme wachsen wohl nicht endlos. Wir leben länger, wir leben gesünder, wir leben einfacher. Wir haben Demenz, wir haben Alzheimer, wir haben Diabetes. Und erstmals in der Geschichte der Menschheit sind wir in der Lage, die vor vielen Monden aufgeschriebene Geschichte göttlicher Weltzerstörung selbst zu erledigen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs glaubten wir kurze Zeit, nun friedlich leben zu können, gar den Hunger in der Welt zu besiegen. Doch bleibt alles komplex.
Fakt ist, dass die heutige Zeit damaligen Generationen wohl viel zu schnell wäre, zu unruhig, zu unübersichtlich. Fakt ist auch, dass sie uns ebenfalls zu schnell ist – wir glauben nur noch nicht daran. Frauen halten sich noch immer für multitasking-fähig, Nachrichten müssen sich noch immer schneller verbreiten als das Licht und bis zur Bedeutungslosigkeit behandelt werden, die Cosmopoliten glauben Arme zu haben, um die Welt zu umarmen. Die Wirtschaft denkt in Quartalen, und die Wissenschaft mutiert zum Zubringer für Wirtschaftsinteressen. Depression und Burn-out ist hier die Begleiterscheinung einer Gesellschaft die stolpert, weil sie schneller läuft, als sie denken kann.
Denn wir sind noch immer Dorfbewohner, lieben klare und ruhige Zustände, haben uns evolutionär gerade mal soweit entwickelt, dass wir Milch von Tieren vertragen – und selbst das gilt nicht für alle. Wir sind nicht anders als die, die vor wenigen hundert Jahren das Pferd als schnellstes Fortbewegungsmittel kannten. Wir haben noch immer unsere einfachen Weltbilder, und wir behalten sie trotz oder gerade aufgrund unserer komplexen Umwelt, auch wenn wir wissen, dass sie unwahrscheinlicher sind, als das Unwahrscheinliche. Wahrscheinlich ist es egal, vielleicht ist es wahr, aber scheinbar braucht der Mensch Pause.
Und wir haben Städteplaner, die hässliche Metallfassaden hinter Fachwerk am Eschbach genehmigen. Gegen Ende ist aber das wohl auch egal. Ein Staubkorn am Rande einer von Hundermilliarden, inmitten von Hundertmilliarden – wer würde auf die Idee kommen Ansprüche anzumelden?
1489 – eine starke Zahl! Ein Segen, kann man sich entschleunigen. Gas geben, bremsen, hupen.
Mach‘ hinne, Du Träumer! Die Ampel zeigt GRÜN !
Warum hat man keine Fachwerkhäuser mehr gebaut? Weil wir hier in der Gegend kein Bauholz mehr hatten. Verfeuert!
Ich muss Dir widersprechen. In Schaberg stehen neue Fachwerkhäuser, die sicherlich energetisch besser sind, jedoch weiterhin die Identität der Ortschaft vermitteln. Das beste an Schaberg ist und bleibt aber sowieso der Panoramablick auf Remscheid! 😉
Wie alt sind neuere Fachwerkhäuser bei Dir?
Was den Panoramablick angeht, da sagt mir Theegarten mehr zu.
Das ist eine ganz variable Zahl, aber ich füge kleinlaut „Sicht“ vor das „Fachwerk“ hinzu. Das reicht ja auch.
Theegarten kannte ich gar nicht (bin nur bis Meigen gekommen), aber das sieht tatsächlich vielversprechend aus. Hast Du ein Beispielbild von da?
Dies Haus ist mein und doch nicht mein, wird nach mir eines anderen sein, war vor mir eines anderen schon und bleibet stehn, geh ich davon.
Amen