Das ist doch das eigentliche Problem. Dieses Hühnergegacker, dem man erneut bis zur Apnoe massiv verfällt, geht mir doch ziemlich auf die Klötze.Nimmt man die verschiedenen Variablen – ja, da ist die Atomernergie „ziemlich sicher“, definiert man das Risiko eines schwerwiegenden Unfalls. Das wird niemand ernsthaft leugnen. Redundante Systeme, redundante Köpfe, hohes technisches Niveau. Das „Restrisiko“ ist klein. Jeder Betreiber rühmt sich, mindestens „eins der Sichersten“ zu betreiben, hüben wie drüben. Mag ja alles sein.
Aber ausschließbar ist es nicht!
Und hier kommen wir auf die weitere, wichtige aber immer unterschlagene Variable, lapidar seit Jahrzehnten durch die technokratische Unwahrscheinlichkeit abgewatscht: die Folgen. Durch die möglichen Folgen kommt eine so große Zahl in die Gleichung, dass kein Ökonom hier noch ernsthaft Wetten abschließen möchte. Doch kein Technokrat vermochte die Argumente, die seit je her die selben sind, wirklich wahrzunehmen. Letztendlich zahlen wir auch für die Folgen, denn kein Versicherer, das ging in den letzten Tagen ja auch hinreichend durch die Presse, ist so blöd, Atomkraftwerke zu versichern. Faktisch wird die Atomenergie auch so noch immer massiv gefördert, während Subventionen für Erneuerbare Energien (so ein blödes Eigenwort!) jüngst massiv zurückgefahren sind: „Sie müssen beweisen, dass sie wirtschaftlich sind.“ Hahahaha
300 Milliarden, Rangar Jogeshwar publizierte es in Quarks und Co, wird nach derzeitigem Stand am Ende an Subventionen in die Atomenergie geflossen sein. Einzig die Bankenkriese vermag diese Zahl vielleicht noch irgendwie zu relativieren. Würde man diese Summe statt über Steuergelder auch über die Stromrechnung bezahlen, was bliebe vom billigen Atomstrom? Der billige Atomstrom ist billig, weil mit Buchungstricks geschönt wird. Warum wurde nie eine reale Rechnung aufgemacht? Warum bedarf es einer solchen Katastrophe, um Technokraten aufzurütteln um plötzlich die Argumente zumindest zu hören?
Wer sich heute mit Angstschweiß auf der Stirm und einstudierter Demütigkeit beim Gedanken an die nächste Wahl vor die Presse stellt, sich um 180° dreht und als Papa der Region behauptet, man müsse die Sorgen der Menschen ernst nehmen: Was haben Sie in den letzten 30 Jahren gemacht Herr Mappus? Da hatten die Menschen exakt die selben Sorgen wie derzeit. Unbegründet? Ich mag die Grünen überhaupt nicht, mich widert es an die parteipolitischen Fahnen auf Demonstrationen und Mahnwachen zu sehen, aber soll ich lügen nur um nicht einzugestehen, dass Frau Obergackerin stringent argumentiert? Ein weiteres Problem: Parteitaktik. Es erschließt sich mir nicht, warum Partei 1 als Gesamtheit konsequent dafür, und Partei 2 konsequent dagegen sein muss. Im Resultat, dies zeigt sich immer wieder, bleiben bei diesem Gescharre gute Personen „in der falschen Partei“ auf der Strecke.
Die derzeitige Situation empfinde ich deshalb als so pervers, weil die einstigen Befürworter jetzt so tun, als hätte sich alleine durch Japan die Sachlage geändert, als hätten sie gerade den tiefen Teller erfunden. Fernsehen schauen ist unerträglicher denn je, denn die Sachlage ist wie immer: Atomkraftwerke haben eine bestimmte Risikobewertung, und nur die Ausklammerung der Folgen lässt die Rechnung aufgehen. Wenn man das mal umdreht: Niemand würde Lotto spielen, wenn der erwartete Gewinn nicht so dermaßen hoch wäre, dass er die geringen Chancen auf den Gewinn relativiert. Für eine geringe Chance auf maximal 1000€ würde wohl niemand wöchentlich über Dekaden einen 10er zücken. Ein noch so geringes Risiko einer Kernschmelze hat im Ernstfall aber so weitreichende Folgen, dass jede Rechnung absurd wird. Und die Japaner erfahren jetzt leider, was Atomstrom auch bedeutet. Plötzlich ist der Atomstrom als zuverlässiger Lieferant von Energie der Fallhammer der Stromverknappung und Kostenexplosion. Und die weltweiten Folgen sind noch gar nicht abzusehen. Das soll nach menschlichem Ermessen nicht abzusehen gewesen sein? Was ist das für ein menschliches Ermessen? Was ich mich jedoch immer wieder fragte: Was hatten die Personen für ein Interesse? Was hat Frau Merkel oder Herr Mappus für ein konkretes Interesse, sich so vehement für die Atomkraft ausgesprochen zu haben? Was für ein Interesse kann man haben, die KIKK-Studie bis zur Bedeutungslosigkeit zu relativieren oder gar zu ignorieren? Wie Frau Merkel, verträgt sich das mit Ihrem Amtseid, den Sie ja höchstselbst ins Gespräch gebracht haben?
Die Bilder entstammen beide meinem Fotobuch 2009