Hurra, jetzt haben wir es schwarz auf weiß, das Umland wird nicht lange brauchen um auch wieder auf den Zug aufzuspringen: Die Öffnung der Fußgängerzone in Remscheid belebt das Geschäft der Einzelhändler, so der Tenor! Aber ist etwas auch wirklich unhinterfragbar richtig, wenn es nun mit Doktorwürden signiert geschrieben steht? Die Überschrift „Gutachten“ verleiht der Aussage zumindest noch mehr Seriosität. Nicht, dass es nicht wünschenswert wäre, wenn man mit vergleichsweise geringem Aufwand ein Ausbluten verhindern könnte, aber man sollte auch nicht allzu leicht voreilige Schlüsse ziehen oder nur scheinbare Fakten präsentieren. Es wäre ja nicht das erste Mal.
Eine kleines Gespräch zu Anfang. Als in Springfield nach Jahrzehnten mal ein Bär in den Vorgärten wütete und der aufgebrachte Mob schnell eine Lösung suchte, wurde eine kostspielige „Bear-Patrol“ eingeführt. Homer und Lisa stehen im Vorgarten, und Homer kann seinen Stolz kaum unterdrücken.
Homer Simpson: Siehst Du Lisa, die Bären-Patrouille funktioniert. Nicht ein Braunbär in der Stadt.
Lisa Simpson: Ach Dad. Ich könnte genauso gut sagen, dass dieser Stein [hebt wahllos einen Stein vom Boden auf] uns vor Tigern schützt.
Homer Simpson: Wirklich? Wie funktioniert das?
Lisa Simpson: Überhaupt nicht, aber siehst Du hier irgendwo einen Tiger?
Homer Simpson: Lisa! Verkaufe mir den Stein!
Was sagt uns das? Es ist überaus unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die Bear-Patrol die Bären abhält, immerhin liegt Springfield nicht im Einzugsgebiet von Bären. Viel wahrscheinlicher ist, dass schlicht kein Bär da ist. Aber man hat einen enormen Aufwand gefahren und so fällt es leicht, das Fehlen der Bären der eigenen Handlung zuzuschreiben, zumal man zu genau diesem Ergebnis hin gearbeitet hat.
Schon im Kinderprogramm wird dem Nachwuchs vermittelt, dass die Dinge nicht zwingend so sind, wie sie scheinen. Für den Statistiker ist für jede seriöse Arbeit die Korrelation maßgeblich. Ein Wert ist einfach nur ein Wert, die Interpretation daraus ist Kopfkino. Aber wir können nicht einfach eine Verbindung zweier Werte als gegeben ansehen, nur weil sie in den gleichen zeitlichen Rahmen fallen und / oder in lokaler Nähe zueinander stehen, auch hier ein Vergleich:
Wenn heute Mittag hier um 12:00Uhr die Lampe vom Mobiliar fällt, und ich ebenfalls um 12:00Uhr Kopfschmerzen bekomme, bedingen sich beide Vorfälle weder zwingend, noch müssen sie die selbe Ursache haben.
Worauf ich hinaus will?
Je mehr Daten zur Verfügung stehen, die über einen möglichst langen Zeitraum gesammelt wurden, umso aussagekräftiger wird das Ergebnis. In der Wissenschaft idealisiert man die Systeme hingegen auf das Nötigste. Ein erfolgreiches Konzept; für eine Fußgängerzone aber nicht durchführbar. Und so hat man immer wieder Störfaktoren in der Messung. Und diese können ganz gravierend sein.
Die Tatsache jedenfalls, dass eine Besucher- und Umsatzsteigerung auf der unteren Alleestraße in den letzten 6 Monaten zu verzeichnen ist, ist nicht zwingend dem Umstand geschuldet, dass sie in diesem Zeitraum für den Autoverkehr geöffnet wurde, denn gleichzeitig passierten noch weitere Dinge
- allgemeine Kauflaune änderte sich (Bsp.: Die Allee in Passau hat auch 14% Kunden mehr im gleichen Zeitraum, ohne Freigabe für Autos)
- neuronale Stimmungslage änderte sich (Herbst != Frühling)
- insgesamt regional erhöhte Berichterstattung über die Öffnung
- …
Zum Beispiel berichtete das Kreditkarten-Unternehmen Mastercard von einer Umsatzsteigerung von 13% gegenüber dem Vorjahr, was den 14% mehr an Menschen, die der Öffnung der Alleestraße zugesprochen wird, rein zahlenmäßig verdächtig nahe kommt (Es bleibt aber natürlich auch nur ein Zahlenspiel!). Man könnte hier beliebig viele Argumente Für oder Gegen anführen, im Kern kommt man aber zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, wenn man versucht alle Argumente zu berücksichtigen. Deshalb hat man Effekte wie Wetter zwar erwähnt, für die Berechnung aber weggelassen, weil es nicht seriös zu erheben ist. Nur ist etwas, was mangels geeigneter Methodik nicht erfasst werden kann, zu vernachlässigen? Böswillig könnte man behaupten: Wir rechnen so, bis es passt, damit es passt, weil es passen soll! Das gilt letztendlich auch, wenn das Ergebnis ein anderes wäre. Es geht mir hierbei nicht um das Hinrechnen zu einem Ergebnis, sondern um die Methodik um überhaupt ein Ergebnis erhalten zu können, wie immer es auch ausfällt.
Wenn man etwas vergleichen will, benötigt man zudem logischerweise mindestens 2 Zahlen, die in einem Zeitraum X ermittelt wurden. Aus dem Gutachten geht hervor, dass man einmal eine Woche im September, vor der Öffnung, gemessen hat, und einmal im März, während der Öffnung, kurz vor dem Auslaufen der Aktion. Insgesamt wurde nur an sechs Tagen zu je 2 Stunden gemessen.
Ich habe keinen Dr. Titel. Ich arbeite nur lediglich seit Jahren beruflich mit Zahlen und Statistik in komplexen Bezugssystemen und muss auf Grundlage dessen Entscheidungen treffen. Und es kommt bei mir ernster Zweifel auf, dass man sich anhand der Messmethodik vor die Presse stellen kann, um vollmundig derartige Rückschlüsse zu verkünden! Das ist viel zu ungenau, als dass ich hier persönlich auf ein Geschäft eingehen würde. Klar, Steuergelder sind kein Problem. Steuergelder sind nie ein Problem, die fallen vom Himmel.
Von den durchaus in dem Gutachten erwähnten Ungenauigkeiten und Unzulänglichkeiten steht in den Zeitungsartikel folglich wenig. Man will ja nicht langweilen, und die Überschrift ist so schön knackig: Autoverkehr belebt den Einzelhandel! Das haben wir doch alle gewollt! Glauben wir einfach dran, so wie vor dem Gutachten.
Was darüber hinaus auch noch für Heiterkeit sorgt ist die Tatsache, dass nur 12 der angeschriebenen 40 gebeutelten Händler Auskunft erteilt haben. So lässt es sich arbeiten.
Das Foto ist gut.
Immerhin geht jemand mit zwei vollen Taschen über den Remscheider Markt.
Sowas wäre in Rade ein Wunder!
Die Chance ist jetzt auch noch gewaltig gestiegen, dass die Taschen bald regelmäßig über den Markt fahren bzw. gefahren werden. 😀
Zu Fuß brauche ich 10 Minuten von Rathaus zum neuen Bahnhaltepunkt, der sich Hauptbahnhof nennt (Kein Fahrkartenschalter, kein Warteraum und auf der Brücke kein Fahrplan um sich mal vorab zu informieren und Entwerter auch nur sehr versteckt im 2. Unterstand).
Wie wäre es, wenn Alleecenter und Alleestraße sich zu einer Werbegemeinschaft zusammen schließen und wenn alle Parkmöglichkeiten, die von Nebenstraßen der Alleestraße erreichbar sind, besser ausgeschildert werden und vielleicht per Parkleit- und Infosystem vernetzt werden. Bei früheren Debatten wurde mir immer erzählt, der Parkraum ist da gar nicht knapp, er wird nur nicht vermittelt. Und 10 Minuten vom Markt zum Center sind doch wohl für jeden, derlangsamer ist, als ich, machbar.