Ach, es ist doch grässlich. Immer wieder werde ich als Atheist beschimpft. Im Grunde reicht vollkommen aus, dass ich den Typen aus der Wüste ablehne, weil ich da ganz bei Dr. theol. Paul Schulz bin:
Alles was ihr sagt ist eure Projektion auf Gott. Das hat mit Gott nichts zu tun.
Nun erhielt ich eine E-Mail eines besorgten Schafs mit dem Titel „Brief an einen Atheisten“. Ich kannte es vorher nicht, aber wie mir Google verriet, gibt es von dem Text ein kleines Büchlein. Ein Flugblatt sozusagen. Da nimmt jemand den Missionierungsauftrag ernst! Und dieser Text kann einen tatsächlich zum Atheisten werden lassen.
Sie sind Atheist.
Nö.
Sie glauben, es gibt keinen Gott.
Ich halte lediglich die mir angebotenen Gottesbilder für wenig wahrscheinlich, gar für unmöglich. Ja gerade zu lächerlich einfältig.
Sie glauben, alles ist von selbst entstanden – der Kosmos nach einem zufälligen Urknall, das Leben in einer zufälligen Ur-Brühe, der Mensch aus einem zufällig mal etwas intelligenterem affenähnlichen Wesen,
Das hat tatsächlich noch wenig mit Glauben zu tun, selbst Benedikt wehrt sich aus Vernunft nicht arg gegen die Evolution und den Urknall als bildlich zündender Funken. Nur sieht er Gott am Feuerzeug, [1] während die Wissenschaft demütig eingesteht, dass die Frage nach dem Grund des Urknalls jenseits jeder Erkenntnisfähigkeit liegt. Benedikt verschiebt das Problem nur eine Stelle weiter nach hinten. Zudem dominiert unzulässig der „Zufall“ in der Ausführung. Dazu später mehr.
Sie selber das zufällige Produkt zufälliger Eltern.
Das kann man tatsächlich als Lottogewinn mit Exponent sehen. Und gerade weil es so ein ungeheurer Zufall ist, ist es nämlich nicht, wie hier versucht wird zu vermitteln, wertlos, sondern im Gegenteil gerade deshalb das höchste Gut.
Ihr eigenes Leben wird nur von Zufällen regiert,
Nö. Manchmal ist es sogar schrecklich zwangbehaftet.
und wenn Sie zufällig mal sterben sollten, so werden Ihre Überreste in irgendeiner zufälligen Grube landen.
Da habe ich noch keine endgültige Antwort zu.
Nichts in Ihrem Leben geht auf Planung zurück.
Oh, mehr denn je! Meine Planung, und die derer, die noch etwas mit mir vorhaben.
Woher auch? Es ist doch alles nur Zufall, aus anderem Zufall hervorgegangen. Es hätte deshalb ja auch alles rein zufällig ganz anders sein können. Ob Sie nun ein Türke oder Deutscher, arm oder reich, Christ oder Kommunist, klug oder dumm sind – stets haben Sie die Entschuldigung zur Hand, dass Sie ja nur aus Zufall sind, was Sie sind. Sie selber tragen also für nichts in Ihrem Leben Verantwortung!
Das stimmt. Es hätte auch ganz anders sein können. Aber ich habe ja oben bereits mehrfach Ausführungen verneint, nur kommt man ja kaum dazwischen. Evolution ist nicht auf Zufall beschränkt, wie man es hier gerne vermittelt wird. Denn aus einem Zufall entsteht mitunter eine wunderbare Notwendigkeit, denn eine Ursache hat eine Wirkung, und die ist nicht zufällig. [2] Ich habe das hier schon x-mal geschrieben, sodass mich die Unaufmerksamkeit schon annervt, wenn man mir trotzdem noch so lieblos so einen Unsinn schickt. Und gerade weil es sich so gefügt hat, ist es zu bewahren. Zufällige happy-shots sind häufig auch wertvoller als planvolle Fotos aus dem Studio.
Eine wunderbare Ausrede: Deshalb besteht für Sie auch keine tiefere Veranlassung, die von zufälligen Juristen und Politikern geschaffenen zufälligen Gesetze einzuhalten.
Was ist das wieder? Ich lebe im Moment in einem Land, in dem man unter der Berufung auf seinen Glauben, nicht auf seinen Atheismus, das Grundgesetz aushebelt – an vielen Stellen. Das prominenteste derzeit ist sicherlich die Beschneidung. Der Vorwurf geht vollkommen an der Realität vorbei.
Sie dürfen also nach Herzenslust rauben, morden und plündern. Oder etwa nicht? Und wie steht es mit der Moral? Ist die nicht auch das zufällige Produkt zufälliger Moralprediger, die Ihnen ihren Willen aufzwingen wollen?
Ach du meine Güte, das wird ja immer schlimmer.
Sie dürfen also als überzeugter Atheist getrost auch auf Moral verzichten.
Danke, das mache ich seit Jahren. Ich bin in meinem Umfeld nicht wirklich als blutrünstiges, arrogantes und egoistisches Arschloch bekannt, trotz oder gerade aufgrund meines Verzichts auf die Moral.
Denn schließlich ist alles, was Sie umgibt – und auch Sie selber – rein zufällig und deshalb sinnlos.
Wie leitetet man Sinnlosigkeit von Zufälligkeit her und wer bestimmt, dass ich und meine Handlung sinnlos ist, weil ich eine zufällige Erscheinung bin? An Vorurteilen und Unterstellungen ist der Text nicht arm, das muss man ihm lassen.
Ob es Sie überhaupt gibt oder nicht, spielt gar keine Rolle. Ob es Ihnen gut geht oder schlecht, hat nichts zu bedeuten. Es lohnt sich also gar nicht, Sie eines weiteren Blickes zu würdigen, Sie als Zufallsprodukt überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.
Das sagen sie mal meinem Umfeld!
Sie sind anderer Meinung? Sie halten doch etwas auf sich? Sie wollen mehr sein, als ein zufälliger Haufen Fleisch an einem rein zufälligen Ort?
Ahh, jetzt dämmerts! Die übliche Vergewaltigung weiter oben war nur der Aufhänger, jetzt kommt die Erleuchtung. Also: Ja, natürlich widerspreche ich vehement!
Sie behaupten gar, Intelligenz zu besitzen? Ja woher denn? Ein eiserner Grundsatz der Informatik ist, dass Information – also auch Intelligenz – nicht von selbst, also nicht aus Zufall entstehen kann. Wenn Sie das nicht glauben wollen, dann schalten Sie doch mal ihren Computer an und warten darauf, dass er von selber Intelligenz entwickelt. Ich wette mit Ihnen, da können Sie lange darauf warten. Wenn Sie nicht irgendwann damit anfangen, selber Intelligenz in den Rechner zu stecken – entweder Ihre eigene oder fremde in Form von gekauften Programmen – dann wird das Ding gar nichts tun. Da können Sie ruhig ein paar Millionen Jahre davor sitzen und warten – der Rechner wird nie von selber intelligent werden. Eben weil Information, also auch Intelligenz, nicht von selber kommt. Doch kommen wir auf Sie zurück: Da Sie aus Zufall entstanden sind, können Sie folglich auch nicht Intelligenz haben, keinen Geist!
Oh je, und einen Moment dachte ich es wird interessant, und dann kommt wieder dieser Informatik Grundsatz (eisern!) der für den Kreationismus geschändet wird. Im übrigen ist dieser Informatik Grundsatz (der Eiserne!) mir als Informatiker (ich bin mal so frei) erst bekannt geworden, als die Kreationisten in Amerika aktiv wurden. Der Computer ist schon deshalb nicht mit dem Menschen zu vergleichen, eben weil er nicht lernfähig ist, kein Gedächtnis im menschlichen Sinne hat, seine Umwelt nicht wahrnimmt, und sich nicht mal selbst vermehren kann. Er hat tatsächlich nur den Zweck: Den wir ihm geben, ja. Nicht mal ein Wille ist vorhanden. Schon ein Einzeller ist ihm überlegen. Welcher Geist, abgesehen von der einen oder anderen Koryphäe des Schlags eines Shoppingsender Verkäufers, vergleicht das menschliche Gehirn ernsthaft mit einem Computer? Information steckt im Übrigen in allem, ein paar zufällig vom Baum gefallene Tannenzapfen enthalten eine Menge Informationen, bis zur geometrischen Form, die sie nun auf dem Boden bilden, und das ohne irgendeinen Sinn.
Sie beharren trotzdem darauf, dass ich Sie als intelligentes Wesen respektieren soll? Wenn dem wirklich so wäre, dann müsse doch irgendetwas mit Ihrer atheistischen Grundannahme falsch sein: dann könnten Sie kein Zufallsprodukt sein.
Ich würde eher sagen, dass ihre Herleitung zum Atheismus grundfalsch ist, und die Schlussfolgerung obendrein. Wie gesagt: Gerade weil ich zufällig hier bin und weiß, dass dies meinem Gegenüber genau so geht, ist unser beide Existenz schützenswert, denn ein Lottogewinn wäre wahrscheinlicher, als dass ich nochmal hier wandeln darf. Aber um mit der Logik zu antworten: Ein eisernes Gesetz der Informationstechnik sagt, man solle nichts zweimal schreiben und soweit kapseln, dass man möglichst viel wiederverwenden kann. Unter dem Argument wäre es gerade egal wenn ich meinem Nächsten oder Fernsten den Kopf einschlage, der Planer hat den Plan ja bereits und wenig Mühe, die Person noch mal aufzustellen. Ja, das klingt blöd. Eben.
Dann müsste Ihnen ja irgendjemand, der mit planerischer Intelligenz begabt ist, ein Programm gegeben haben, das Ihnen sagt, wie Sie essen und trinken, atmen, laufen, schlafen, lieben und denken sollen. Können Sie sich das vorstellen?
Warum sollte es planerischer Intelligenz bedürfen? Und was ist das für ein allmächtiger Planer, der Kindern Läukemie schenkt? Klar, das verstehe ich nur nicht. Will ich auch ehrlich gesagt nicht, denn ich kann mich nicht mit jeder Abartigkeit aufhalten.
… Warum gehe ich darauf überhaupt ein?