Zugegeben, die Wählergemeinschaft in Remscheid ist mir schon aus familiären Gründen nicht ganz unsympatisch. Doch da gibt es immer wieder so Vorstöße, die können einen bestenfalls nur schmunzeln lassen, Vorstöße, die ich nichtmal von der UWG erwarte (das sind die mit den Kondomautomaten in der Innenstadt). StreetView, Sommerloch-Thema Nummer 1, beflügelt auch den Geist der W.i.R., und so heißt eine aktuelle Anfrage «Google Streetview – Einnahmemöglichkeiten sichern». Das ist knackig. Andere haben auch schon versucht. Die Stadt Remscheid lehnt lt. der W.i.R. unter Bezugnahme auf Pressemitteilungen die Gebührenerhebung ab, und begründet dies auch damit, dass es rechtliche Schwierigkeiten mit sich brächte (von Logischen mal ganz abgesehen)! Die W.i.R. sieht das anders, begründet es aber lediglich damit, das Bergisch-Gladbach 100€ pro km von Google hätte.
Liebe W.i.R., ich empfehle Google ab sofort Einnahmemöglichkeiten zu sichern, und wir-remscheid.de solange aus dem Google Index auszuschließen, wie ihr für den laufenden Klick nicht Summe XYZ zahlt; Bergisch-Gladbach am besten direkt mit rausschmeißen. Oder macht es plötzlich einen Unterschied zu Euren Gunsten, dass auch die Google Infrastruktur horrende Kosten verursacht, und Euch trotzdem täglich kostenlos Besucher beschert? Wenn neue Konzepte auf alte Denkweisen treffen, muss es wohl leider zwangsläufig in der Kollision enden, und die eigene Beschränktheit des Gedankens führt zum Verlust der Kontrolle auf ohnehin fitschiger Argumentationsbahn. Das darf man ja auch immer wieder in hoffnungslosen Versuchen hören, wie Google denn jetzt mit Werbung Geld verdiene.
Zwar wurde mir die Frage nicht gestellt, ich mühe mich aber trotzdem mal um eine Beantwortung:
Was muss unternommen werden, damit alle Möglichkeiten gewahrt werden, dass die Stadt Remscheid je nach Ausgang der noch ausstehenden Rechtsentscheidungen entsprechende Gebühren erheben kann?
Gut, jetzt kommt die Gemeinde als Bereitsteller der Infrastruktur (Straße) zum Zuge. Hier muss sich doch was machen lassen! Nur, auf welcher Rechtsgrundlage? „Sondernutzungsgebühren“ ist das knackige Stichwort, dass Kämmerern und Oppositionellen schnell im Kopf hallt. Doch da ist noch dieses blöde Wort „Gemeingebrauch“, welches motivfreie Entscheidung der Straße als Mittel zum Ortswechsel zulässt. Und darüber hinaus: Nimmt jetzt Remscheid Gebühren für die Düstergasse, und das Land NRW für die Lenneper-Straße?
Beendet man es positiv, müsste man sagen: Wo gearbeitet wird, passieren Fehler, den Schuh habe ich selber manches mal an. Oder geht es um Opposition um jeden Preis?
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Und noch ein Nachsatz zu den Kondomautomaten: Es entbährt nicht einer gewissen Komik, dass katholisch ordentlich jetzt zwar die Kondomautomaten aus der Innenstadt Radevormwalds verbannt wurden, die Bürger sich aber in der Grabenstraße, also zentral in der Innenstadt, über einen Puff freuen dürfen. Aber hier werden ja auch Steuergelder erzielt, damit schlägt man heute alles tot! Zu dieser Dorfposse in Kürze mehr.
Ein Antwort auf die von W.i.R. gestellte Frage: Man macht aus Remscheid ein Königreich, enteignet alle Untertanen und kassiert von Google Wegezoll.
Ich wüßte ein nettes Weihnachtsgeschenk für unsere Politiker: Das Bürgerliche Gesetzbuch samt Grundgesetz. OK, man müsste dann lesen, vielleicht sogar verstehen können.
Viel Spass beim lesen!!!
Mitteilung der Verwaltung
In der Anfrage bittet die Fraktion W.I.R. um Mitteilung, was unternommen werden muss, damit alle Möglichkeiten gewahrt werden, dass die Stadt Remscheid je nach Ausgang der noch ausstehenden Rechtsentscheidung entsprechende Gebühren erheben kann.
In den umliegenden Städten wird eine uneinheitliche Auffassung über die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung vertreten. Rechtliche Bewertung:
Grundlage der rechtlichen Einschätzung ist die im Grundgesetz vorgegebene
Normenhierarchie. Das Straßenverkehrsrecht (StVO) ist nach dem Grundgesetz Gegenstand der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes. Es soll die Teilnahme am Straßenverkehr, vor allem aber dessen Sicherheit und Leichtigkeit gewährleisten. Das Straßen- und Wegerecht (StrWG NRW) hingegen gehört zur Gesetzgebungskompetenz der Länder und dient der
Regelung der Rechtsverhältnisse an öffentlichen Straßen und der grundlegenden Bereitstellung für den Verkehr durch den Akt der öffentlichen Widmung. Beide Rechtsmaterien stehen in einem sachlichen Zusammenhang, da das Straßenverkehrsrecht insbesondere durch den
Vorgang der Widmung das Straßenrecht logisch voraussetzt. Umgekehrt wird der durch die Widmung eröffnete Gemeingebrauch wesentlich vom Straßenverkehrsrecht bestimmt. Nach dem Bundesverwaltungsgericht hat dies zur Konsequenz, dass ein Verkehrsvorgang, der sich im Rahmen der Verkehrsvorschriften bewegt, sich gleichzeitig auch immer innerhalb des
straßenrechtlichen Gemeingebrauchs hält. Demnach käme es letztlich nur darauf an, ob das Befahren der Straße zum Anfertigen der Straßenansicht eine reguläre Teilnahme am Straßenverkehr im Sinne der StVO darstellt. Da es, wie bereits bekannt, noch keine Rechtsprechung zu diesem konkreten Thema gibt, wird in der aktuellen Literatur die Rechtsprechung zu dem Thema „Fahrten zu Werbezwecken“ herangezogen und übertragen.
Grundsätzlich nimmt ein zugelassenes und betriebsbereites Fahrzeug im Rahmen des Gemeingebrauchs am Straßenverkehr teil. Würde das Fahrzeug jedoch mit Werbung versehen, stellt sich die Frage, ob es einzig und allein am Straßenverkehr teilnimmt, um die Werbeflächen möglichst effektiv öffentlich zu zeigen und somit ein Gemeingebrauch nicht vorliegt.
Das Bayrische Oberlandesgericht urteilte, dass ein Gemeingebrauch nicht vorliegt, wenn die Straße nicht vorwiegend zum Verkehr, sondern zu anderen Zwecken genutzt wird. Zur Abgrenzung zwischen Gemeingebrauch und Sondernutzung müsse der Beweggrund für die Teilnahme am Straßenverkehr, also der Zweck, mit einbezogen werden. Eine reine
Reklamefahrt wurde vom Gemeingebrauch ausgeschlossen, obwohl die Fahrt sich äußerlich als Teilnahme am Straßenverkehr darstellt.
Das Bundesverwaltungsgericht bediente sich nicht der subjektiven Zweckrichtung, sondern ging von § 29 II StVO aus, wonach Veranstaltungen, die die Straße über das verkehrsübliche Maß
hinaus in Anspruch nehmen, genehmigungsbedürftig sind. Zur Feststellung der Verkehrsüblichkeit stellte es darauf ab, ob die Teilnahme am Straßenverkehr noch im Rahmen dessen liege, was mit diesem bezweckt werde. Der Zweck des Straßenverkehrs bestehe darin, eine Ortsveränderung zum Personen- und Güterverkehr durchzuführen. Derjenige, der nur
deshalb am Straßenverkehr teilnehme, um seine Werbung zu betreiben, strebe keine Ortsveränderung an, um sich selbst oder andere an eine andere Stelle transportieren.
Seite 3 Drucksache 14/0093
Obwohl beide Urteile unterschiedliche Anknüpfungspunkte haben, sind die Entscheidungen im Ergebnis ähnlich.
Die Städte Ratingen und Bergisch Gladbach nehmen diese Rechtsprechung zu dem Thema „Fahrten zu Werbezwecken“ als Grundlage und übertragen diese auf die Kamerafahrten. Sie stellen darauf ab, dass nicht der Gebrauch der Straße im Vordergrund stehe, sondern vielmehr das Fotografieren der Straße und der anliegenden Objekte. Demnach sei nicht von einem
Gemeingebrauch auszugehen. Die Stadt Solingen stellt hingegen fest, dass bei den Kamerafahrten nicht auf den Zweck „Erstellung einer Datenbank“ abgestellt werden kann, solange unmittelbar eine Fortbewegung
im Verkehr angestrebt wird. Im Sinne des Landesrechts läge keine zweckwidrige Straßenbenutzung vor, da die Kamerafahrten grundsätzlich eine nach der StVO zulässige Straßenbenutzung darstelle.
Ergebnis:
Nach interner Überprüfung wird der rechtlichen Einschätzung gefolgt, dass es sich um eine erlaubnispflichtige Sondernutzung handelt, da durch die Kamerafahrten die Straßen über das verkehrsübliche Maß hinaus in Anspruch genommen werden. Insbesondere können hier verkehrsbehinderndes Langsamfahren, besondere Fahrmanöver oder Haltepositionen, ständiges Anhalten und Wiederanfahren oder auch eine besondere Publikumsintensität in Betracht kommen.
Damit die Stadt Remscheid, bei entsprechender Rechtsprechung, eine Sondernutzungsgebühr erheben kann, muss die bestehende Sondernutzungssatzung ergänzt werden, da gem. § 19 a
Abs. 2 StrWG NRW die Gemeinde nur eine Gebühren aufgrund einer Satzungen erheben darf. Es wird darauf hingewiesen, dass die Rechtslage unklar ist. Somit ist auch die Durchsetzung eines Gebührenanspruchs im Rahmern einer gerichtlichen Überprüfung ungewiss.
Lösung:
Die Anlage I der Sondernutzungssatzung müsste um eine Tarifstelle 21a ergänzt werden:
„Befahren der Gemeindestraßen zum Zwecke der digitalen / fotografischen Aufnahme bzw. Datenerhebung – 24,00 € je angefangener Kilometer. Soweit ein gemeinnütziger oder kein wirtschaftlicher Zweck verfolgt wird, kann die Gebühr ermäßigt oder von der Erhebung abgesehen werden.“
Bei der Bemessung der Sondernutzungsgebühr waren Art und Ausmaß der Einwirkung auf die Straße sowie das wirtschaftliche Interesse des Gebührenschuldners zu berücksichtigen. Die o.g. Gebühr passt in die vorhandene Gebührenstruktur und genügt dem Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit und ist im übrigen auch zumutbar.
In Vertretung
Mast-Weisz
Stadtdirektor
> Viel Spass beim lesen!!!
Danke, hatte ich! 😉
Neben der Unredlichkeit an sich bleibt es aber weiter höchst nebulös und mündet in überfrierter Nässe. Zudem blähen wir weiter den Verwaltungsapparat auf, um letztendlich doch irgendwie monetäre Ansprüche an einem Vorgang geltend machen zu können, von dem jeder weiß, dass er per Definition keine Sondernutzung darstellt. Der Ansatzpunkt, ich hatte das in meinem Artikel ja erwähnt, ist der Gemeingebrauch.
StreetView, bestenfalls ein Kartografiedienst, jetzt aus der Not als „Fahrt zu Werbezwecken“ zu deklarieren, um eine gewerbsmäßige Sondernutzung geltend zu machen und die Fahrten vom Gemeingebrauch zu trennen, ist m.E. nur als abenteuerlich zu bezeichnen.
Ja, das habe ich jetzt als Blaupause schon von einigen Städten gelesen, und jeder platziert nach gut Dünken seinen eigenen Preis. Mal ein Euro, mal 20, oder auch mal 100, je nach dem, wie Pleite die betroffene Stadt gerade ist.
Irgendwas läuft schief!
Die Berechnung möchte ich gerne mal sehen!
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Ich bin ganz ehrlich froh in einem Land zu leben, in dem mir die Panoramafreiheit und das Nichtvorhandensein des Rechts am Bild der eigenen Sache garantiert ist; ich möchte mir das ungerne kaputt machen lassen von Übereifer, der die Konsequenz nicht wahrnimmt.