Jesus, wer warst Du?

Friedhof Dresden Löbtau
Friedhof Dresden Löbtau

Auch wenn wir aus vielen mehr oder weniger guten Gründen der Kirche nicht viel abgewinnen, den Herrn Jesus finden wir doch alle irgendwie toll, oder? Er steht ja auch für das Neue Testament, für die Feindesliebe und das Backe-hinhalten. Lassen wir die nicht zu toppenden Perversionen und menschenverachtenden Stellen von Johannes oder Paulus, dem Gründervater schlechthin, einfach mal außen vor, sind die Evangelien eine super Sache. Jesus ertränkt keine Hasen weil Menschen ihm nicht gefällig sind, er spießt seine Feinde nicht auf, er zerbricht keine Kiefer und lässt keine Zähne splittern, wie es im Alten Testament die normale Lehre ist. Wie heilsam! Das Kreuz ziert das Christliche Abendland. Jesus, sagt man, ist für uns am Kreuz gestorben. Danke! Und doch erkennt man, zu welcher Zeit Jesus aufgewachsen ist. Seine Überlieferungen sind archaischer Natur. Schon die Bergpredigt („Gepriesen sind die Skifahrer“ – das bezieht sich auf die ganze Wintersportindustrie!), die er nie gehalten hat, ist gespickt von den größt anzunehmenden Strafen für die, die nicht seinem Weg folgen mögen. Ein perfides Spiel, das bis heute anhält. Kind seiner Zeit gewesen zu sein kann man niemandem zum Vorwurf machen, aber es mutet merkwürdig an, attestiert man ihr noch heute die ethische Richtschnur zu sein. Aber wer war Jesus, von dem da ständig die Rede ist?

Es ist schon merkwürdig. Außerhalb christlicher „Geschichtsschreibung“ findet Jesus von Nazarath nicht statt. Zwar gibt es die eine oder andere (und mitunter auch nachgewiesen gefälschte) Geschichte, aber man kann schon sagen, dass Jesus‘ im Vergleich unbedeutender Bruder Jakobus, der als aus der gleichen guten Sippe stammend natürlich einen heilsamen Beinamen nicht vermissen lässt (der Gerechte), in römischer Geschichtsschreibung mehr Bedeutung zuteil wurde. Für den historischen Jesus hat sich sehr zum Leidwesen der christlichen Theologie nicht mal Paulus interessiert, da er, obwohl er am nächsten dran war, nicht an der Historizität interessiert war, sondern am erhöhten Glauben, und Legenden werden am besten geboren, wenn Personen sterben. Der Widerruf ist nicht mehr möglich, und man kann mit Personen machen, was man will. Schon die junge Geschichte zeigt, wie nach deren Tod Personen perfide ausgeschlachtet werden, wie einfache Rocksänger, mit allen Vor- und Nachteilen bestückt, nach deren Tod zum immerguten Heiland stilisiert werden. Jesus aber war historisch, wenn überhaupt, auch nur einer von vielen Sektenführern seiner Zeit; Einer Zeit, in der Wissenschaft, Philosophie und religiöse Toleranz noch einen selbstverständlichen Stellenwert in der Gesellschaft hatte.  Und wovon Jesus selbst profitierte, sollte in seinem Namen später blutig niedergeschlagen werden, ohne das Jesus eine Chance hätte Einspruch zu erheben.

Und was sagen die Evangelien? Sie sind allesamt Fanpost. Man könnte es gleichsetzen einer Biografie von Mozart, die heute von enthusiastischen Fans geschrieben wird. Allerdings hat die Jesusgeschichte den nicht unmaßgeblichen Nachteil, dass es sich hier um spätere Niederschriften mündlicher Überlieferungen handelt. Außerdem können die Evangelien den Anspruch einer Biografie weder liefern, noch wollen sie es. Zudem sprach Jesus aramäisch, aber das Neue Testament ist griechisch verfasst. Es gibt keine echte wörtliche Aussage von Jesus in Schriftform. Jesus soll, bildlich gesprochen, zum Leidwesen der Römer, wie so viele andere in dieser Zeit, auf umgedrehten Gemüsekisten am Marktplatz gestanden haben und seinen Gott dem geneigten Publikum angeboten haben. Jesus verkündete Gott. Die heutigen Kirchen verkünden aber Jesus Christus, den sie zum Gottessohn erhoben. Doch auf das nahe Gottesreich von dem Jesus auf der Gemüsekiste sprach, warten wir jetzt seit 2000 Jahren. Wie konnte sich ein Gottessohn so dilletantisch irren? Insgesamt ist es aber sowieso problematisch zu argumentieren, wenn auch die größtmögliche Perversion (Offenbarung) noch als Hoffnung verkauft wird. Jesus kam jedoch wie gerufen, denn es wurde einfacher Jesus zum Gott zu erheben, als den, den Jesus für Gott hielt. Das wirkt bis heute.

Wir durften dieses Jahr alle Zeuge werden, wie der verstorbene Papst Johannes Paul II selig gesprochen wurde. Nicht unmaßgeblich daran beteiligt war eine französische Nonne, die er wundersam von Parkinson heilte, woran er noch zeitlebens selbst so litt. Es fällt nicht schwer anzunehmen, dass die Triaden an Exorsismen und Wundern Jesus‘ in mündlicher Überlieferung zur unsterblichen Legende reich ausgeschmückt worden sind. Wenn schon Johannes Paul II in der heutigen Zeit ohne großes Lamentieren derartige Wunder schriftlich verbrieft vollbringen kann und die Tagesschau als nüchterne Medieninstanz dies 1 zu 1 so verkündet, dann kann Jesus auch problemlos Wasser zu Wein machen; so viel ist sicher! Weiter ist aber auch historisch gefestigt, dass sich andere Kulturvölker in erheblichem Maße über die Wundertaten lustig machten (Gott segne diese Heiden!), die im laufe der Zeit immer absurdere Züge annahmen, und die noch junge Kirche dazu veranlasste mal ein paar Gänge zurück zu schalten.

Am Ende aber bleibt von Jesus nichts als Stille Post aus dem Fanclub, welcher noch munter gegenseitig abschrieb und ausschmückte, aus einer Zeit archaischer Kulturen. Und daraus kreierten sie eine weitreichende Weltanschauung und die Antwort auf alles, auf heute? Historisch gesehen nimmt die Sache erst Fahrt auf, als sich Kapital aus ihr schlagen ließ. Aber das ist nur allzu menschlicher, aber umso weniger göttlicher Natur. Das sieht man an Paulus am besten, der eben nicht an dem nüchternen Leben Jesus‘ interessiert war, sondern am ausgeschmückten Heilsbringer.

Jesus, wer warst Du? Deine Bibel zumindest wird ungemein spannender, begegnet man ihr nicht im Glauben, sondern in theologisch nüchternem Zustand, und blättert bei den unerträglichen Stellen, die einem schon den Tag verhageln können, einfach schnell weiter. Dann wird es zuckersüß. Wie bei einem Kleinkind, welches einem glaubhaft mit riesigem Kopfnicken versichern will, dass es nachmittags auf rosa Elefanten durch die Welt reitet. Diese Überzeugung im Tonfall… Der Unterschied liegt darin, dass das Kind nicht, wie es leider aber Jesus macht, den ungläubigen der fantastischen Geschichten mit schlimmsten Qualen droht. Das hat das Kind gar nicht nötig, weil es nicht den Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erhebt.

10 Antworten auf „Jesus, wer warst Du?“

  1. Wer für die Antwort nicht zu viel Geld ausgeben will:
    http://www.laetarebuch.de , in Köln in der Marzellengasse nahe dem Dom.
    Das die Wehe- Rufe von Jesus so wenig beachtet werden, ist bedauerlich! Die müssten eigentlich der Pfarrerstochter, die akut unsere Bundeskanzlerin ist, auch bekannt sein!
    Übrigens, die Spätdatierung der Evangelien ist auch nur eine Theorie. Zumindest hat sich bisher die Archäologie unter der Peterskirche als 5. Evangelium erwiesen, das mündlicher und außerbiblischer Überlieferung bisher nicht widerspricht. Der Weg von der gängigen Glaubenspraxis zum Dogma kann Jahrhunderte dauern. Deswegen ist aber die Sache nicht erst ab der Dogmatisierung, sondern schon lange davor Glaubensthema.
    Und was das Reich Gottes angeht, so liegt es an Dir, auf welchen Boden es bei dir fällt, es kann schon jetzt bei Dir beginnen.

  2. Geld spielt keine Rolle, aber schlüssig sollte es schon sein.

    Übrigens, die Spätdatierung der Evangelien ist auch nur eine Theorie.

    Das hört man von Kreationisten in Bezug auf die Evolutionstheorie auch gerne. Die Gesetze des Elektromagnetismus sind auch „nur eine Theorie“. Damit kann man alles gut zur Bedeutungslosigkeit zerreden, oder man ist sich der Terminologie nur nicht bewusst, wenn man das in wissenschaftlichem Kontext in den Mund nimmt. 😉

  3. „Jesus, wer warst du?“
    Was man in China denkt:
    http://www.alansangle.com/?p=754

    The Chinese Academy of Social Sciences has discovered what Europe has chosen to ignore.

    “One of the things we were asked to look into was what accounted for the success, in fact the pre-eminence, of the West all over the world,” said a senior member of the Beijing Academy. “We studied everything we could from the historical, political, economic, and cultural perspective.

    At first, we thought it was because you had more powerful guns than we had.

    “Then we thought it was because you had the best political system.

    Next we focused on your economic system.

    “But in the past twenty years, we have realised that the heart of your culture is your religion: Christianity. That is why the West is so powerful.

    “The Christian moral foundation of social and cultural life was what made possible the emergence of capitalism and then the successful transition to democratic politics. We don’t have any doubt about this.”

  4. Ja, es ist sehr beliebt alles Gute oder gut scheinende auf das Christentum zurück zu führen. Da sind die oberen Vertreter richtig gut drin! Aktuell versuchen sie ja die Gleichberechtigung und den Umweltschutz als Christliche Errungenschaft zu verkaufen. Merkel Taktik:

    Schauen wohin sich die Mehrheit bewegt, dann nach vorne stellen und rufen: Mir nach!

    Welche Werte tatsächlich aus dem Christentum geschöpft wurden, konnte mir bisher noch niemand wirklich so schlüssig erklären, so dass nicht ein einfacher Blick in die Geschichtsbücher oder die Bibel das Gegenteil offenbart.

    Christianity. That is why the West is so powerful.

    Was ist mit dem orthodoxen Osten, was ist mit Afrika, die teilweise genau so lange in den Genuß kamen? Ich wäre fast geneigt zu sagen, Europa ist trotz Christentum powerful.

  5. „“Ja, es ist sehr beliebt alles Gute oder gut scheinende auf das Christentum zurück zu führen……..““
    Das kann man dem kommunistischen China wohl kaum unterstellen! Und der BBC noch weniger!

    Umso interessanter der scheinbare Sinneswandel zumindest in China:
    http://www.bbc.co.uk/news/world-asia-pacific-11020947

    „Three decades ago, China’s Cultural Revolution saw some of the most dramatic restrictions on the practice of religion ever seen in the modern world. But today’s communist rulers have radically altered their views about religion and have granted substantial freedom to Christians prepared to worship within state-sanctioned churches…..

    The Communist Party’s senior official with responsibility for this policy is the director general of the State Administration for Religious Affairs, Wang Zuo An. In a rare interview, he told me that there are now at least 20m Protestant Christians in China worshipping in the state-sanctioned church.
    „Such growth is unprecedented in the history of Christianity in China. Christianity is enjoying its best period of growth in China,“ he said…….

    „“Welche Werte tatsächlich aus dem Christentum geschöpft wurden, konnte mir bisher noch niemand wirklich so schlüssig erklären….““
    Die Chinesen haben offensichtlich die besseren Exegeten.

  6. Ja, das habe ich mißverständlich formuliert. Eigentlich wollte ich ausdrücken, dass jede positive Meldung als unreflektierbar wahr herangezogen wird, alles Gegenteilige als Lüge oder Fälschung diffamiert oder schlicht ignoriert wird. Argumentum ad verecundiam bitte konsequent oder gar nicht. Am liebsten gar nicht. 😀 Und um weiteren Mißverständissen vorzubeugen: Ich beziehe das nicht auf Dich persönlich, sondern auf „das System“ an sich. Das Christentum lebt ja gerade zu davon, dass ihre Mitglieder so viel besser sind als die hoch widersprüchliche Lehre an sich. Ich begegne immer wieder lieben Menschen, die zwar nicht an die Hölle glauben, Gott als Energie verstehen und die Auferstehung als Mystik, aber trotzdem sagen sie wären Christen, auch wenn sie nicht mehr damit zu tun haben, als die soziale Herkunft.

    Allerdings hat das alles herzlich wenig mit Jesus zu tun, der Legende, im wahrsten Wortsinn, der ich mich im Artikel versucht habe zu widmen. Und da gibt es halt so viele Fragen denen man sich scheinbar ungerne stellt. Es bedarf schon einiger Dreistigkeit, ihn mit dem AT in Deckung zu bringen. Matthäus hat das ja geschafft in unmaßgeblicher Fantasie (und das ist nicht mal das Ergebnis der Kirchenkritik, sondern kommt direkt aus der Theologie). Wenn man Felix als Beispiel nimmt; er schreibt:

    Zumindest hat sich bisher die Archäologie unter der Peterskirche als 5. Evangelium erwiesen, das mündlicher und außerbiblischer Überlieferung bisher nicht widerspricht.

    Schon die kanonischen Evangelien selbst widersprechen sich ja eindeutig bis eklatant. Das zu ignorieren oder rein zu waschen bedarf wohl wirklich eines frommen Geistes. Weiter schreibt er

    Und was das Reich Gottes angeht, so liegt es an Dir, auf welchen Boden es bei dir fällt, es kann schon jetzt bei Dir beginnen.

    Auch hier übergeht er die Eindeutigkeit mit der Jesus gesprochen hat bzw. es ihm angedichtet wird. Jesus spricht eindeutig vom NAHEN Reich Gottes, das KURZ bevor steht, und das nicht als persönliches Empfinden des individuellen Geistes sondern nach Art jüdischer Tradition. Die Story ist ja auch nicht mal von ihm. Und, auch das sollte man nicht vergessen: Jesus spielt seiner eigenen Überzeugung keine Rolle im Reich Gottes. Wenn Felix jetzt sonntags beseelt in der Kirche sein Reich Gottes erfährt und Jesus huldigt (oder an jedem anderen Ort), bekomme ich arge Zweifel an der Konsistenz des Weltbilds.

  7. Vielleicht noch ein ‚Wort zum Sonntag‘. Die Frage an Jesus hatte immer schon ihr Gegenstück in seiner Frage: „Und was sagst du, wer ich bin?“ Die Antwort darauf war von Anfang an entweder Verehrung oder Verachtung. Gegen das „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes“ stand und steht der brutale Hohn. Das „Aufhängen am Pfahl“ mit lächerlich machender Überschrift demonstrierte totale Erniedrigung. Noch die Nazis zogen den Gehängten die Hosen runter und das Lendentuch ist freie Erfindung. Also nichts Neues.
    Wie man die Frage Jesu beantwortet, ist eigene Sache. Die Frage an Jesus hat er selbst für Generationen – die Offenbarung nennt sie „eine unzählbare Menge“ – überzeugend beantwortet.

  8. man kann nur ernten, was man gesät hast, oder? Also mir hilft das ehrlich gesagt wenig weiter. Es ist doch kein großes Zeugnis wenn man sagt, dass Jesus für die unzählbare Menge überzeugend ist. Eine gezüchtete Monokultur würde ich das nennen, wenn weit mehr als 1000 Jahre sein Wort verkündet, Zweifler hingerichtet, und Apostasie mit kaum steigerungsfähigen Horroszenarien bedacht werden. Du hast ja China in die Runde gebracht und ich habe Zweifel Mao damit zu begründen, dass er so vielen überzeugend war/ist.

    Ich übe übrigens weder Verehrung, noch Verachtung an Jesus. Mich interessiert, was andere an ihm finden, und wie sie ihn im Deckmantel der guten Sache missbrauchen. Mich interessiert, warum man ihn und seine Worte so sehr umdreht, warum man ihn derart überhöht und mit ihm genau das macht, was er nie wollte. Er sprach sich ja z.B. auch ganz ausdrücklich GEGEN Missionierung aus, trotzdem rennen sie durch die Welt. Er war auch kein Revolutionär, was man ja im Kontrast zum AT so sehr benötigt. Er forderte doch ausdrücklich die Einhaltung JEDEN BUCHSTABENS des Gesetzes und verkündete das nahe Gottesreich. Ich habe ernsthaft das Gefühl, dass man sich Jesus eben so zusammenbackte, wie man ihn gerade benötigt hat. Aber nach seinem Tod kann er sich eben nicht mehr wehren und bis heute schreiben Päpste deutungschwangere Schriften und begründen das auf ihn, der dem so klar widersprach. Benedikt schrieb ja auch salopp gesagt, dass es ihm gar nicht um Jesus geht, sondern dass er nur als Worthülse für den Katholizismus herhalten muss. Na ganz toll, und vor allem überzeugend! 😉

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