Der Sommelier Rainer Brüderle, Mitglied der militanten Splittergruppe für Wirtschaftsangelegenheiten, hat einen waghalsigen Vergleich angestellt: Die Welt muss wachsen, denn auch eine Pflanze die nicht wächst, stirbt. Man zieht gerne die scheinbar vollkommene Natur als Ideal heran um Kleingeistigkeit in wirren Vergleichen zu manifestieren.
Das war eine Metapher die Jesus nicht besser hätte unter das unbelesene Volk streuen können. Vollkommen egal, dass Wirtschaftswachstum und biologisches Wachstum mindestens so divergieren, wie eine wissenschaftliche Theorie zu einer theologischen, aber wer mag das am Abend um zehn nach acht noch wissen wollen. Und davor ist man ja mit fleißigen Händen beschäftigt das Wachstum zu kultivieren.
Alle wollen wachsen, möglichst in die Höhe, zur Not auch in die Breite. Aber was ist Wachstum, wie wird es bemessen? Glück haben wir, dass die Zeit Eingang in unsere Welt gefunden hat, denn nur sie erlaubt uns überhaupt Veränderung wahrzunehmen. Also ist Wirtschaftswachstum die Veränderung eines Wertes auf einer bestimmten Zeitskala. Wir messen das Bruttoinlandsprodukt in Jahresfristen, und Wachstum entsteht logischerweise nur dann, wenn der Wert steigt. Weißbärtige Menschen, die entfernt an gute Menschen aus larmoyanten Weihnachtsgeschichten erinnern, messen das Wirtschaftsklima. Das aktuelle Gefühl des Unternehmers über seine eigene Wirtschaftlichkeit wird der Gesellschaft auf die Stirn gestempelt.
Was heißt das? Wenn jetzt ein Komet auf Deutschland fällt und weite Teile des Landes neu aufgebaut werden müssen, können wir, mit Sicherheit aber unsere direkten Nachbarn, in den Genuß eines sehr hohen Wachstums kommen. Wenn halb Deutschland erkrankt und Medikamente benötigt werden und gepflegt werden muss, steigt das Bruttoinlandsprodukt wohl möglich ebenfalls stark an. Doch geht es, um bei Brüderles Biologie zu bleiben, der Pflanze Deutschland irgendwie besser? Fuck you! Unser Wohlstand ist nichts als das Leid der anderen. Das ist als ob man raucht und säuft wie blöde und den Krebs seinem Nachbarn überlässt. Doch sollten wir uns darüber freuen können, gar selbstgerecht auf die Schulter klopfen?
Wachstum ist nichts, was man in Frage stellen dürfte. So oft wird es von Volksvertretern in den Mund genommen, dass es als Naturgesetz einer gesunden Gesellschaft gilt. Was ist Gesellschaft, und endet sie in fiktiven Grenzen die man quer über den Planeten zog? Niemals wird dieser Schwachsinn ernsthaft in Frage gestellt. Naja, fast. Seit 2008 erheben sich leise immer mal wieder Zeigerfinger, die dann von Talkshowbetreibern abgeschnitten werden. Zielsicher kommt immer im falschen Moment die Schere. Immer dann, wenn es wirklich interessant wird, wenn der Verstand nicht nur müde vom Fernsehen hinfort geblasen wird.
10% möchte ein großer deutscher Elektronikkonzern jedes Jahr wachsen. Problematisch hierbei ist, dass der Mensch nicht exponentiell denken kann. Denn könnte er es, würde dem lethargischen Zuseher vor der Glotze schlagartig klar werden, dass er in naher Zukunft jeden Monat einen neuen Fernseher kaufen muss, um ein derartiges jährliches Wachstum zu ermöglichen. Da sollte man schon mal die ein oder andere Garage anmieten. Nein, dann doch lieber in den Iran und Sudan mit der deutschen Wertarbeit.
„Exportweltmeister“ – Ein Euphemismus für die Auslagerung einer Systemproblematik. Nicht durch und durch, sicher. Aber es ist auch alles andere als ein sauberes Konstrukt, wenn man etwas näher hinsieht.
See the sun there showing up
See the flower growing up
The one that’s in your smile
Let it grow there for a whileInchtabokatables – Listen the quiet