Mit meiner Kirchenkritik verhält es sich wie mit dem Meer – sie kommt und geht. Gerade noch lief ich barfuß und den Kopf in den Himmel gereckt über die weiche Wasserkante und freute sich des unbeschwerten Lebens, und plötzlich umspült mich das Wasser und zieht einen ins offene Meer hinaus. Ich könnte auch einfach nicht so nah ans Wasser gehen, aber das wäre zu einfach. Und so gab es wieder mal eine dieser Wellen und überwältigt von so viel Wasser schnappe ich hastig nach Luft.Gefühlt gerade erst, nachdem der Papst in Deutschland der Ökumene den theologischen Stinkefinger gezeigt hat, in dem er die protestantische Kirche als ja „gar keine richtige Kirche“ bezeichnet hat (was so ein wenig unter den Tisch gekehrt wird), ganz im Gegensatz natürlich zu den Piusbrüdern übrigens, macht er wieder Schlagzeilen. Das ist auch bitter nötig endlich mal was anderes zu hören als Missbrauch und unterlassene Hilfeleistung. Daran wird die Kirche nicht kranken, nur ihre Menschen. Seit 1500 Jahren nun schon. Wen kümmert heute schon noch die ersäufte Hexe?
Und wie schon bei der wortschwangeren und sinnfremden Rede im Bundestag wird er und sein Handeln zum Status Quo erhoben. Sicher, erkennen zurücktreten zu müssen ist eine respektable Leistung. Doch nun, um die weitreichende Intelligenz des Oberhaupts von Gott sein Fanclub zu postulieren, wird auch sein Rücktritt als wegweisend und wichtig umschrieben. Deprimierend wenn das größte Schaffen seiner eigenen Kraft der Rücktritt ist. Das mit der Intelligenz ist ohnehin nicht mehr als ein Autoritätsargument. Ich frage mich immer ob Intelligenz einen Wert an sich darstellen möge, wie immer er sich auch bemisst. Zweifelsohne ist der scheidende Papst eine im Rahmen seiner Werte- und Weltordnung gebildete und entsprechend handelnde Person. Im Rahmen seines Bezugssystems kann man furchtbar intelligent und systematisch korrekt agieren, doch bleibt damit die Frage gänzlich unbeantwortet ob dieses Bezugssystem sonderlich intelligent ist oder ob dies, worauf es sich gründet, überhaupt existent oder nicht längst obsolet ist.
Ich möchte dem Papst auch danken! Der theologische Hardliner, kommend aus der Glaubenskongregation – besser bekannt als Inquisition – und Stifter eines wiederaufflammenden Exorzismus, hat das Profil der Kirche geschärft. So scharf das wieder offensichtlich ist, was das theologische Fundament der Kirche darstellt. Besser als mit der Bibel und den tatsächlichen katholischen Dogmen, dem Katechismus der Katholischen Kirche, kann man auch gar nicht Kirchenkritik betreiben. Einen besseren Dienst hätte er der Säkularisierung der Gesellschaft nicht geben können. Schauen wir eine der unzähligen Diskussionsrunden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zum Thema Glaube, so regt sich immer Entrüstung, wenn ein katholischer Theologe allzu wortreich die Lehre der Katholischen Kirche darlegt. Doch sind diese Aussagen häufig genau das der Markenkern des Katholizismus. Homophob, patriarchal, demokratiefeindlich. Das hat mit dem Wertegerüst eines Durchschnittsdeutschen wenig zu tun, doch hat offensichtlich auch die Kirche wenig mit dem Durchschnittsdeutschen zu tun. Die scheinbar übermächtige Größe der den Kirchen angehörigen Menschen in diesem Land schrumpft rapide, fragt man nach der Glaubensüberzeugung; fragt im Detail wie viel Christ der Christ denn ist. Deshalb wundert der Widerstand gegen kirchliche Dogmen nicht. Aber es wundert die Stellung, die sie noch immer glaubt einnehmen zu dürfen. Und solange ihre Anhänger sich mit ihr beschäftigen wie mit Lizenzverträgen bei Softwareinstallationen wird das auch genau so bleiben. Mit der Mitgliedschaft hat man eben genau das akzeptiert was die Kirche darstellt, und bei dem man jedoch allzu häufig den Kopf schüttelt. Und je klarer die Kirche ihre Lehren und Dogmen in den Vordergrund stellt, umso einfacher ist es auszutreten. Wer möchte schon Mitglied in einem Verein sein, dessen Vorstand Millionen von der katholischen Kirche geschlachtete Indianer als „Versehen“ abtut und deren Nachfahren noch sagt, dass die Urväter das ja eigentlich so wollten? Auch das hat der Papst 2007 gesagt.
Der jetzige Wunsch nach einem neuen Papst der Reformen in Gang bringt ist ein frommer Wunsch. Ganz sicher wird die Kirche nicht ihre wesentliche Positionen verändern, denn wer sein Fundament weghaut fällt um. So intelligent dies zu wissen war der Papst. Und dies wird auch der nächste Papst wissen. Und der weiß auch dass das abgelehnte Autoritätsangebot der Kirche ein eurozentristisches ist. In Ländern, die Hoffnung auf Gerechtigkeit und den Glauben an die Stärkung des Schwachen dringender brauchen, verkauft sich die Lehre weiter wie geschnitten Brot. Nicht zuletzt finanzieren wir mit 200 Millionen Euro Steuergeld die Missionierung auch noch.
Um noch mal auf das unbeschwerte Leben zu kommen. Es ist befremdlich für mich welche Arbeitsbeschaffungsmaßnahme die Kirche doch darstellt. Da sitzen, stehen, liegen und gehen Menschen in komischen Gewändern und Schaffen Fakten mit Fiktionen die so weitreichend überholt oder widerlegt sind, dass man nachdenklich wird. All die Exegeten, die historischen Bibel- und Jesusforscher, die theologische Wissenschaft. Und wir erweitern den Karneval dieses Jahr bis Ende Februar; der Heilige Geist greift an. Dabei stört mich nicht mal der Glaube daran an sich, sondern die Überheblichkeit der Deutungshoheit und des Wahrheitsanspruchs durch einen Zirkelschluss. Bischhof Overbeck ist das perfekte Abbild dieser anmaßenden oligarchischen Arroganz.
Was die Kirche tut ist zu sagen was von Gott her für uns Menschen gedacht ist [..] (und) nach denen der Mensch sich zu richten hat
Und da Gott nun mal nie selber spricht… Eigentlich sollte ich dankbar sein.