Dem Wahren Schönen Guten

Unser schönes Radevormwald
Unser schönes Radevormwald

Nein, jammern wollen Sie nicht. im Gegenteil! […] (Sie wollen) zeigen, wie schön Radevormwald ist. […] Den Auftakt bilden dann auch Fotos, die die Innenstadt ins schönste Licht rücken.
Quelle: rga

… Da blieb mir die Spucke weg! Ich frage mich ernsthaft, ob derzeit nur Wunsch und Wirklichkeit hier so weit auseinanderklaffen, es ist ja nicht unüblich unfertige Internetseiten ins Netz zu stellen,  oder man bereits von seiner Sache überzeugt ist. Ich habe ja einige Beiträge zuvor schon mal dezent auf radevormwald-zentral.de aufmerksam gemacht. Jetzt, einige Fotos, Gespräche, Kommentare und E-Mails weiter, ist es in der Hoffnung persönliche Anreden zu vermeiden für mich Zeit, schon zur eigenen Frustbewältigung, doch noch mal näher sowohl auf die Website, als auch auf die dort abgehandelte Thematik an sich einzugehen. Und da es um eine Internetseite geht, beleuchte ich doch mal die Internetaktivität Radevormwalder Händler.

Neugierig wie ich bin, möchte ich natürlich wissen, was der Rader Innenstadt Einzel- und Fachhandel denn so zu bieten hat, also klicke ich doch mal auf „Wir bieten“! … Und?

Als zumeist inhabergeführte Unternehmen bieten wir unseren
Kunden kompetente Beratung und besonderen Service.

Wer denkt sich denn soetwas aus? Das schreibt man doch nicht mal, wenn es wahr wäre! Mehr gibt es da übrigens nicht zu lesen, zumindest nichts, was irgendeinen Erkenntnisgewinn zur Folge hätte. Geht es auch besser? Wie wäre z.B. eine Suchmaske, auf der der Interessierte direkt nach seinem Produkt suchen kann, erfahren kann, wo er es bekommt? DAS wäre mal Service; stattdessen bekomme ich unter „wer wir sind“ eine lieblose Aneinanderreihung von Firmenlogos und ein Gruppenfoto, zu dem mir schlicht die Worte fehlen. Wer wann geöffnet hat, erfährt der Interessent, wenn überhaupt, erst viele Klicks später. Das zieht mich zumindest nicht in die Innenstadt!

Überhaupt sind die Öffnungszeiten hier in Radevormwald grauenvoll. Als ehemals Remscheider, der zu jeder Tageszeit durch offene Türen gehen konnte, kann ich mich nicht daran gewöhnen, dass man hier bei der Post abgeguckt hat. Ich selbst stand schon oft vor der Wahl, ob ich mal eben in die Stadt gehe, um dann wohlmöglich wiedermal vor verschlossenen Türen zu stehen, oder kurz ins Internet, um dann morgen den Artikel direkt an der Haustür zu haben. Mit dem viel gepriesenen Service, für den ich durchaus auch einen höheren Preis zu zahlen bereit wäre, wenn ich ihn auch nicht sonderlich schätze, hat das jedenfalls wenig zu tun aufgrund mangelhafter Öffnungszeiten, ins Internet „gedängt“ zu werden.

Service? Wer hat dem Einzelhandel eigentlich die Boshaftigkeit ins Ohr gesetzt, er könne und müsse damit überhaupt noch (und insb. bei mir) punkten? Warum wird mir eigentlich auch immer dann Service als feature verkauft, wenn ich den überhaupt nicht haben will? Wenn ich ein Kabel haben will, brauche ich keinen Service der mir erklärt, ein optisches Kabel X ist besser abgeschirmt als das günstigere Y. Leidgeprüft würde ich ja fast sagen, dass ich es als Service empfinden würde, dass der Händler auch geöffnet hat, wenn ich Zeit zum Einkauf habe. Mein eigenes wirtschaftliches Verständnis steht dem aber im Weg, denn das sehe ich als selbstverständlich an, um überhaupt Umsatz zu machen. Stattdessen erlebe ich es, dass man hier zur Rush-Hour alles verrammelt um sich zu wundern, dass die Kaufkraft dann zur gleichen Zeit arbeitet wie man selbst, und man Däumchen drehen verdutzt in volle Regale und leere Gänge schaut.

Der Einzelhandel hat ein Service-Plus. Nichts ersetzt die qualitative Fachberatung im Einzelhandel. Das ist toll, geht aber seit Jahren am Markt vorbei. 94% aller Internetnutzer informieren sich vor einem Kauf eines Produkts direkt im Internet, das ist nunmal Fakt, ob man das mag oder nicht. Der Kunde an sich hat sich längst selbst organisiert und empfiehlt Produkte von Kunde zu Kunde über das Internet. Verbrauchercommunities sind seit Jahren ein Boommarkt. Silver-Surfer, als Surfer älteren Semesters legen jährlich an Anzahl spürbar zu, die verliert ihr gerade auch. Ignoriert man es, verspielt man höchstens seine Existenzberechtigung! Am Radevormwalder Fachhandel geht das spurlos vorbei, sie konzentrieren sich lieber auf die verbliebenen sechs Prozent. Vergessen wurde dabei z.B., dass Preissuchmaschinen auch längst regionale Angebote in ihre listings aufgenommen haben. So findet man z.B. bei guenstiger.de zu jedem Produkt das Register „lokale Preise“. Radevormwald? Fehlanzeige! Das das Internet vom Radevormwalder Einzelhandel nach wie vor nicht verstanden ist, dafür kann man die Website, vom rein optischen mal abgesehen, durchaus sinnbildlich zur Vorlage nehmen. Denn wie man hört

verfolgen (wir) mit der Internetseite keine Gewinnabsichten

Lieber Einzelhandel: Das ist Euch geglückt! Die Frage bleibt, warum ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen keine Gewinnabsichten verfolgt, das erschließt sich mir nicht. Hier hättet ihr eine lokale Plattform, die bei entsprechendem Ausbau und der gewissenhaften Bewerbung durchaus das Potential hätte, als Schaufenster des Handels Gewinnabsichten zu befriedigen. Ich weiß auch gar nicht, was es im kleinen Städchen so alles gibt, die Seite hilft mir da aber auch nicht weiter! Und wie es sonst ums Werbeverständnis der Einzelhändler steht, kann man an sonnen-vergilbten Schaufensterdekos sehen.

Frustriert muss ich insgesamt immer häufiger feststellen, dass die gereichte Hand nicht gesehen oder ausgeschlagen wird, und man sich lieber auf etablierte oder traditionelle Maßnahmen beschränkt, die so manche Miesere überhaupt erst hervorgerufen haben. So stellt z.B. amazon.de seit Jahren nicht nur die große Konkurrenz dar, sondern bietet gleichzeitig jedem Händler die geöffnete Hand! Jeder Händler kann dort mittlerweile seine Produkte anbieten, auf einer Plattform mit dem größten Vertrauenbonus, den eine Handelsplattform im Internet je hatte. Die Händlervielfalt zeigt auch hier, dass das durchaus schon verstanden wurde. Radevormwald? Wieder Fehlanzeige! Ihr konstatiert doch in Eurem aktuellen offenen Brief die Überlebung ehemals erfolgreicher Konzepte. Vielleicht hilft hier ein wenig Selbstreflektion.

Deutsche kauft deutsche Bananen!
Überhaupt kann das Internet einen so manche Nacht etwas ruhiger schlafen lassen und den Einzelhandel in der Stadt halten, statt ihn dort zu zerstören! Dem geht aber die Erkenntnis voraus, dass man entweder darüber jammern kann, dass das Internet Kaufkraft aus Radevormwald abzieht, oder man die Erkenntnis bekommt, dass man damit selbst Kaufkraft nach Radevormwald bekommen kann. Als Einbahnstraße funktioniert das natürlich nicht. Und bei Diskussionen mit der „Support your local dealer“ Fraktion, die in meinen Augen häufig nur den Sterbeprozess verlangsamen, entgegne ich immer nur, dass wenn ich mir z.B. ein neues Stativ kaufe, ich direkt ein Ladenlokal in Passau unterstütze. Ich kann diese „Deutsche kauft deutsche Bananen“ Argumentation nicht mehr sehen und hören. Natürlich fand auch ich es schön, damals im Zack-Zack in Remscheid stundenlang in LP und CD Regalen zu wühlen und mich über die neuesten Scheiben auszutauschen, aber man sollte sich eingestehen, dass sich diverse Konzepte überleben. Und wenn ich heute wählen muss zwischen dem Zack-Zack, und dem bequemen Einkaufen bei amazon, dann werde ich, wie Millionen mit mir, immer amazon dem Zack-Zack vorziehen. Dafür hätte ich heute auch keine Zeit mehr! Das kommt doch nicht von ungefähr das der Internethandel so boomt und die Innenstädte aussterben, wenngleich es gefährlich wäre zu behaupten, dass beides korreliert. Da steckt wohl noch viel mehr hinter. Das sieht man alleine schon am ebenfalls boomenden, lokal konzernzrierten Einzelhandel unserer Nachbarstädte.

Wir haben heute mehr denn je Alternativen zum Einkauf, und wir haben immer weniger Zeit dafür! Wir sind heute alle mobil oder kennen jemanden, der mobil ist. Wir haben das Internet, indem man schnell und bequem, und durchaus mit Beratung seine Waren kaufen kann. Der Einzelhandel muss sich meiner Auffassung nach grundsätzlich fragen, ob er seine Kunden erreichen will, oder erwaretet, dass der Kunde sie erreichen soll. Letztgenanntes ist zum Scheitern verurteilt, scheint aber auch hier im Moment als DIE LÖSUNG zu gelten. Mit einem befreundetetem Einzelhändler habe ich hier vor Jahren den Wortwechsel gehabt, in dem er sich beim Bier beschwerte, dass heute so viele im Internet bestellen, und sein Umsatz jährlich sinkt. Meine Frage: Und das willst Du jetzt so hinnehmen, jammern und sterben? Oder bist Du Händler, läufst dem Kunden hinterher, und hast schon einen Stand auf dem neuen Marktplatz, noch bevor er da ankommt?

Stattdessen soll die Marktöffnung der Heilsbringer werden. Das ist auch schön einfach, man hat das Problem erstmal weg delegiert und trägt selber keinerlei Schuld an der Miesere. Als ich gestern das obige Bild geschossen habe, konnte ich jedoch nicht feststellen, dass die Innenstadt wie häufig betont tot oder ausgestorben wäre und keine Menschen anzieht, ganz im Gegenteil, die Innenstadt war voll von Menschen die am Schaufenster standen! Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die Menschen am Sonntag Zeit hatten? Heute Mittag hätten sie bestimmt auch Zeit, aber dann ist ja wieder alles verrammelt, mit Ausnahme der dann vollen Discounter.

Lieber Rader Einzelhandel, ich wünsche Euch alle Umsätze der Welt, aber ich werde auch in Zukunft nicht Euren Job übernehmen und Euch hinterherlaufen, da bin ich ganz Kunde! Und so ein Foto lockt mich ganz bestimmt nicht in die Innenstadt, das stößt mich nur ab! Und weiß das Fotostudio Krauskopf eigentlich, was ihr mit seinem Gruppenbild so veranstaltet? Als eine Visitenkarte kann ich das jedenfalls nicht verstehen. EBV hat viele Funktionen, man sollte aber mit Bedacht auswählen, welche zur Anwendung kommen!

Natürlich ist Leerstand die ansteckende Pest, und gerade aufgrund der Tatsache, dass sich verschiedene Läden und Konzepte überleben, ein sehr ernst zu nehmendes Problem für die verbliebenen Händler vor Ort, aber glaubt ihr wirklich, dass ein offener Markt die Lösung bringt? Vielleicht steckt ihr die 3000,- mal sinnvoll in Werbung! Ich lasse jedes Jahr ein paar 1000€  alleine bei amazon, und mit mir werden es noch viele weitere sein. Die Kohle kann ich auch gerne hier lassen, aber dafür müsst ihr euch anstrengen, nicht ich. Und das Problem ist nicht, dass ich nicht mit dem Auto auf den Marktplatz kommen, sondern dass ihr mit all den anderen Möglichkeiten die ich heute zum Einkauf habe, für mich nicht konkurrenzfähig seit, sofern ich überhaupt Kenntnis von Euch habe! Und radevormwald-zentral.de ist in meinen Augen keine Anstrengung, sondern ein müdes Aufbäumen!

4 Antworten auf „Dem Wahren Schönen Guten“

  1. Der Kunde ist König!
    Die Monarchie wurde 1918 abgeschafft, daher stört der Kunde heute.

    oder?!

    Der Kunde steht im Mittelpunkt und steht daher im Wege!

  2. AMEN!!

    Den Text kannst Du 1:1 an die bald im Briefkasten steckende Bürgerbefragung als Anlage antackern!!!

  3. Armin spricht sicher nicht für jeden; ich kann seinen Artikel jedoch unterschreiben. Die Erlebnisse im Rader Einzelhandel gekoppelt mit radevormwald-zentral.de sind absolut abschreckend. Wieso sollte ich durch solch gruselige Fotos animiert sein, ein Geschäft zu betreten. Es soll jedoch zur Ehrenrettung erwähnt sein: Ausnahmen bestimmen die Regel – auch in Radevormwald!

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